Montag, 23. November 2015

Eigentlich müssten wir tanzen - Heinz Helle

Als totaler Schisser hätte ich dieses Buch an manchen Stellen gerne zugeklappt, aber es ging nicht, weil ich dafür einfach zu fasziniert von Heinz Helles Schreibstil war, der hat mich einfach mal total geplättet. Ich habe mir sogar einige Passagen laut vorgelesen, weil ich unbedingt wissen musste, wie sie klingen. Antwort: Mega gut! Die Sätze von Heinz Helle haben was sehr Künstlerisches und dabei erzählt er aber eigentlich total reduziert und unemotional, was die bedrohliche Stimmung in der Geschichte allerdings nochmal stärkt.


In „Eigentlich müssten wir tanzen“ geht es um die Apokalypse. Fünf Männer, alle so Anfang 30, verbringen ein Wochenende auf einer Berghütte und als sie wieder ins Tal zurückkommen, ist nichts mehr, wie es war: Das Dorf steht in Flammen, ist total verwüstet, Autos sind ausgebrannt, Häuser geplündert, es gibt keinen Strom mehr und überall liegen Leichen. Warum das so ist – alles zerstört wurde – erfährt man bis zum Ende nicht. Unter anderen Umständen hätte mich das total fuchsig gemacht und unbefriedigt das Buch zuklappen lassen, hier aber nicht. Durch dieses Unwissen wird die Spannung noch einmal angezogen. Die Bedrohung ist da, du spürst sie auf jeder Seite, weil du die Auswirkungen erlebst, aber du kannst sie trotzdem nicht komplett greifen, weil sie nicht erklärt wird und das macht den Text echt unheimlich.

Statt also die Ursache zu erklären, richtet Heinz Helle seinen Fokus auf die fünf Männer. Er zeigt, was diese totale Zerstörung mit den Männern macht – mit ihnen als Freunde und mit ihnen als einzelner. 

Wenn die Sonne aufgeht, sehen wir übereinander hinweg und aneinander vorbei, und wir sehen genau, sehen aus den Augenwinkeln, dass der andere auch woanders hinsieht, wir sehen jeder woanders hin, jeder in sein eigenes weit entferntes Nichts oder Alles, egal, wir sehen uns nicht in die Augen, das täte weh [...].

Die Freunde machen sich auf den Weg in Richtung Heimatstadt in der Hoffnung, dass da alles gut ist. Dafür streifen sie durch die Wälder, immer wieder an zerstörten Orten vorbei. Es ist tierisch kalt, sie haben Hunger und mit jedem Tag wächst die Frage, ob es sich wirklich lohnt am Leben zu bleiben?

Diese Geschichte ist ein Horrortrip, aber einer der sich lohnt!


Heinz Helle: Eigentlich müssten wir tanzen. Suhrkamp. 173 S. 19,95 €

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