Als Benedict Wells vor acht Jahren seinen ersten Roman
veröffentlicht hat, da wurde er in der Öffentlichkeit als literarisches
Wunderkind gefeiert. „Becks letzter Sommer“ hieß das Buch, die Verfilmung lief
mittlerweile im Kino. Es folgten dann zwei weitere Romane und jetzt nach einer
fünfjährigen Pause gibt es mit „Vom Ende der Einsamkeit“ endlich Nachschub. Er
erzählt eine Geschichte, die berührt, die den Kopf in Gang setzt und nachwirkt –
und er erzählt sie auf ganz wunderbare Weise.
Im Mittelpunkt stehen Jules und seine beiden
Geschwister. Sie müssen in ihrer Kindheit mit einem schweren Schicksalsschlag
fertigwerden – ihre Eltern sterben bei einem Autounfall. Sind sie eben noch sehr behütet und glücklich aufgewachsen, finden sie sich jetzt in der Rolle der Neulinge im Internat wieder.
"Ich stoße ins Innere vor und sehe ein Bild klar vor mir: wie unser Leben beim Tod unserer Eltern an einer Weiche ankommt, falsch abbiegt und wir seitdem ein anderes, falsches Leben führen. Ein nicht korrigierbarer Fehler im System."
Vor allem Jules hat damit seine Probleme: Früher
war er der Klassenclown – jetzt ist er der vor sich hin träumende Außenseiter. Und
dann ist da noch sein Bruder Marty, der auf einmal Türklinken immer mehrfach
runterdrücken muss. Für ihn ist es die Hoffnung auf Glück, andere decken es als
zwanghaften Tick auf. Aber darum geht’s eben: Wie sich solche Schicksalsschläge
aufs Leben und auch auf die eigene Persönlichkeit auswirken? Wie wird unser Ich
durch unser Leben geprägt? Und gibt es etwas in uns, das unveränderlich ist,
egal welche Richtungen unser Leben immer wieder einschlägt?
Benedict Wells beschäftigt sich in seinem neuen Roman
also mit großen philosophischen Fragen und er nähert sich ihnen mit einer sehr
packenden Geschichte, die natürlich voller Emotionen steckt, aber die er ganz
ohne Kitsch erzählt. Er erzählt sie
ganz zart und unaufgeregt, was bei mir allerdings den Effekt hatte, dass sie
mir nur noch mehr unter die Haut gegangen ist. Es ist eine Geschichte über Trauer, über
Einsamkeit und auch über Mut, denn Mut brauchen die Figuren, um sich zurück auf
ihre Spur zu kämpfen und um zu akzeptieren, dass Verluste zum Leben
dazugehören. Wells begleitet die Geschwister über mehrere Jahrzehnte, spielt
ihnen immer wieder übel mit. Manchmal wollte ich ihm entgegen brüllen, dass es
jetzt aber endlich reicht! Genug Leid, genug Trauer! Aber dann versöhnt er
einen irgendwie wieder: Durch witzige Szenen unter den Geschwistern, durch eine
zauberhafte Liebe und weil er eben alles mit so einer Leichtigkeit erzählt.
Dieses Buch geht nah, die Figuren fesseln und berühren, und am Ende hab ich es
wirklich zufrieden zugeklappt, weil ich dachte: Ja, das ist eine Geschichte mit
Bedeutung.
Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit. Diogenes. 368 S.
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