Wir kennen die Bilder aus den Nachrichten: Boote, mit zu vielen Menschen drauf, die sich zusammenquetschen und auf ein
Land zu steuern, von dem aus sie hoffentlich in ein besseres Leben starten. Wer
sind diese Menschen? Was treibt sie auf diese Reise und auf welche Probleme
stoßen sie? Der Jugendroman „Grenzlandtage“ gibt auf bewegende Art einen
Einblick.
Die Geschichte spielt auf einer kleinen griechischen Insel.
Hier prallen die Welten von Jule und Asman aufeinander, die unterschiedlicher
nicht sein könnten. Jule steht kurz vor dem Abi und kommt auf die Insel, um
Urlaub zu machen: Ein bisschen entspannen, die Natur genießen, das Klima – und dann
entdeckt sie Asman. Er ist aus seiner Heimat geflohen und lebt jetzt auf der
Insel mit 30 anderen im Verborgenen. Ursprünglich waren sie um die 100, doch
dann hatte ihr Boot ein Leck. Sie wollen nach Schweden und wollen daher auf
keinen Fall in Griechenland registriert werden. Also verstecken sie sich und
versuchen sich irgendwie durchzuschlagen. Alleine. Als Jule und Asman
allerdings merken, dass zwischen ihnen mehr ist als nur Neugier, wird das mit
dem „Alleine-Durchschlagen“ immer schwieriger. Denn Jule will helfen.
„Grenzlandtage“ ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte.
Es geht um eine Liebe, die von Anfang an mit großen Problemen zu kämpfen hat,
daran allerdings nicht kaputt geht, sondern zu wachsen scheint. Und so wird hier noch einmal klar gemacht, wozu Liebe eigentlich fähig ist: Sie gibt Hoffnung, macht stark
und lässt uns manchmal von unserem Weg abkommen - zum Glück muss man in dem Fall von Asman sagen.
Was mir an „Grenzlandtage“ so gut gefällt, dass die
beiden Autoren die Geschichte sowohl aus Jules Sicht als auch aus der
Perspektive von Asman erzählen. Gerade die Parts aus Asmans Sicht haben mich immer wieder sprachlos werden
lassen.
Und da kauerst du also wieder, unsichtbar zwischen Gras und Licht wie oft, und siehst sie an. Du kannst, wenn du sie ansiehst, die Schmerzen in der Hand vergessen. Nur dann. Du kannst alles vergessen, die Erinnerung an die trockenen Tränen des Alten, wenn er von früher sprach. Die Wut, die Hoffnungen, die Tage in der Zelle, die alle Nächte waren. Die Bulldozer, die die Häuser beiseitegeschafft haben, als wären sie Unrat. [...] All das vergisst du, selbst den Mann, der den Fuß auf deinen Kopf gestellt hat, selbst sein Lachen. [...] Du vergisst es gerne.
(S. 90)
Hier erfährt man als Leser, mit welchen Gefahren die Geflüchteten sich
rumschlagen müssen und welche Vorurteile ihnen begegnen. Das wird alles sehr glaubhaft
und emotional erzählt, weshalb es mir auch so nah gegangen ist. Ich habe gebangt mit den Figuren und hab sie zugleich für ihren Mut bewundert, und dafür,
dass sie immer noch ans Leben glauben, dass sie ihren Stolz nicht verloren
haben, aber den Moment erkennen, wenn man jemanden um Hilfe bitten muss.
„Grenzlandtage“ ist ein heftiges aber vor allem auch ein wichtiges Buch –
gerade in einer Zeit, in der wieder vermehrt „Flüchtlinge raus“ gerufen wird. Denn
was dieses Buch macht: Es zeigt nochmal - was leider immer wieder vergessen wird -, dass es bei dem Thema „Flüchtlingskrise“ um
Menschen geht. Um Menschen, die alle ihre eigene Geschichte haben und dass es
Sinn macht, sie sich anzuhören. Mich hat die Geschichte echt begeistert und
berührt. Sie ist toll erzählt, die Figuren sind glaubhaft dargestellt und
weichen deutlich vom Schema F ab, was mir sehr gefallen und ihnen einen ganz besonderen Charme gibt. Ich bin mir
ziemlich sicher: Dieses Buch wird mir in Erinnerung bleiben.
Peer Martin, Antonia Michaelis: Grenzlandtage. Oetinger. 460S. 13,99 Euro.
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