Donnerstag, 26. November 2015

Die Hoffnung im Gepäck - Cornelia von Schelling und Andrea Stickerl (Hrsg)


Sie fliehen aus ihrer Heimat, weil sie dort in Gefahr sind und kommen zu uns, weil sie Schutz suchen und auf ein besseres Leben hoffen. Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Ohne richtiges Gepäck kommen sie an und werden in Notunterkünften untergebracht – Feldbett neben Feldbett bis die Sporthalle voll ist. Wir kennen diese Bilder alle aus den Nachrichten, aber für die meisten von uns heißt es doch immer nur DIE Flüchtlinge, wenn wir mal ehrlich sind. Wer sind die Menschen hinter diesem Wort? Das Buch „Die Hoffnung im Gepäck“ will eine Antwort geben.

Das Buch ist das Ergebnis eines Projekts zugunsten der Münchner Flüchtlingshilfe Refugio. Autoren haben sich mit Flüchtlingen getroffen, sich deren Geschichte erzählen lassen und sie dann aufgeschrieben, auf ganz unterschiedliche Art. In diesem Buch gibt es Portraits, Gedichte, kurze Berichte und auch abgedruckte Collagen. Die Autorin und Regisseurin Doris Dörrie hat zum Beispiel mit dem 18-jährigen J, der mit seiner Familie aus dem Iran geflohen ist, Collagen geklebt – zu seinen Ängsten, seiner Vergangenheit und seinen Wünschen für die Zukunft.

Neben Doris Dörrie haben unter anderem auch Uwe Timm, Friedrich Ani, Albert Ostermeier, Lena Gorelik und Lilian Loke bei diesem Projekt mitgemacht. Sie alle, das merkt man beim Lesen, sind mit viel Feingefühl und Respekt an die Sache herangegangen. Hier werden keine Menschen bloß gestellt und hier wird auch nicht gekünstelt auf Mitgefühl-Jagd gegangen. Hier werden Schicksalsgeschichten erzählt, die das gar nicht nötig haben.

Lilian Loke hat eine junge Frau aus Sierra Leone getroffen.  In ihrer Heimat hat sie mit ihrer Mutter und ihrem Sohn in einem kleinen Dorf gelebt. Ihre Mutter hatte dort ein goßes Ansehen, denn sie war dafür zuständig, die jungen Mädchen aus der Gegend zu beschneiden. Nach ihrem Tod sollte ihre Tochter ihr Erbe antreten, aber sie hat sich geweigert und wurde daraufhin aufs Übelste gefoltert – es hieß: entweder du machst das oder du stirbst. Mit Hilfe einer Deutschen hat sie es nach München geschafft, wobei sie hier dann erst einmal an einen ganz üblen Mann geraten ist. Mittlerweile leben sie und ihr Sohn in Sicherheit!

Ja, die Schicksale, die man hier zu lesen bekommt, sind hart. Auch wenn das natürlich zu erwarten war, ist es dann doch noch einmal was anderes sie zu lesen. Vor allem, weil sie alle einen sehr persönlichen Charakter haben, man kommt in diesen Erzählungen sehr nah dran an den Menschen. Auch weil die Autoren oft nicht nur die Geschichte wiedergeben, sondern sie die Stimmung der Unterhaltung einfangen, die Blicke und manchmal auch die Narben auf der Haut und im Herzen. Was aber ganz faszinierend ist, dass trotz des Schmerzes, der Traurigkeit in diesen Geschichten auch Hoffnung steckt.

Ich habe ein neues Leben angefangen hier in Deutschland. Das Leben ist voller Höhen und Tiefen, aber es ist wichtig, niemals die Hoffnung aufzugeben. Ich zähle nicht die Tiefen, die liegen hinter mir. Ich bin zufrieden, denn ich habe so viel geschafft. Ich habe es so weit geschafft. Manchmal sage ich zu mir, wenn ich mir einen neuen Namen geben könnte, dann würde ich Armstrong nennen. Weil ich stark bin.  
(Eine Geflüchtete aus Sierra Leone)


Wenn ich solche Worte lese, dann läuft mir ein kalter Schauer über die Haut und ich spüre Bewunderung. Hier erzählen Menschen, die nicht aufgegeben haben, sondern gekämpft haben und das macht Mut. Es ist ein tolles Projekt und ein tolles Buch über mutige Menschen und jedes dieser Schicksale hat es verdient erzählt und vor allem auch gelesen zu werden.



Cornelia von Schelling, Andrea Stickel (Hrsg): Die Hoffnung im Gepäck. Begegnungen mit Geflüchteten. Allitera Verlag. 166 S. 14,90 €

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